Am Sonntag war es nach monatelanger Vorbereitung so weit: Das Sydney Running Festival stand an und für mich ging es auf die Marathonstrecke. Das Ziel stand lange fest. Ich wollte die 42.195 km in einer Zeit von 3:45h hinter mich bringen, nachdem ich 2019 in Berlin noch 3:56:02h gebraucht habe und letztes Jahr ohne Vorbereitung mit Sophie und den anderen CrossFitern einen spontanen Marathon in über 5h gelaufen bin.
Doch von vorne: Anfang des Jahres schaffte ich es tatsächlich eine Gruppe von anderen Athletinnen aus dem Gym zu überzeugen, mit mir am Marathon teilzunehmen: Wanda, Niamh, Peggie, und die irische Laura wollten alle ihre ersten, sowie Sophie ihren zweiten Marathon in diesem Jahr laufen. Die Herren der Schöpfung blieben hingegen lieber bei den schweren Hanteln. Wir motivierten uns nicht nur gegenseitig, sondern absolvierten auch einige lange Trainingsläufe zusammen. Sophie musste leider wegen eines entzündeten IT-Bandes den Lauf absagen, aber sonst schafften alle die Vorbereitung. Im Gegensatz zu all meinen anderen Wettkampfvorbereitungen lief es auch richtig gut für mich. Ich war in den letzten 6 Monaten kein einziges Mal krank, hatte keine Wehwehchen, die Hüfte machte keine Probleme und das Training lief nach Plan. Zumindest schien es so, bis zwei Wochen vor dem großen Tag. Erst verletzte ich mir den Gluteus Medius beim Kreuzheben in der Testwoche unseres Gyms. Der Gluteus Medius ist schon mein Leben lang nicht mein Freund und ich war das ein oder andere Mal beim deswegen beim Physio oder Arzt gewesen. 2017 hatte jedoch ein großartiger Physio in Nordsydney das Problem endlich korrekt identifiziert (woran mehrere Orthopäden und Physios in Deutschland klaghaft gescheitert waren, weshalb ich eigentlich schon aufgegeben hatte). Mit den Übungen des besagten Physios bekam ich damals meine Schmerzen innerhalb kurzer Zeit in den Griff, wenn es auch noch über ein Jahr dauerte, bis ich komplett schmerzfrei war. Seitdem hatte ich jedoch keine Probleme mehr – bis vor zwei Wochen. Aufgrund meiner Erfahrung bekam ich das Problem innerhalb weniger Tage in den Griff – doch das Kind war schon in den Brunnen gefallen: Durch die Fehlhaltung hatte ich mir ebenfalls das IT-Band entzündet, was mich im Alltag zwar nicht einschränkte, aber beim Laufen nach kürzester Zeit zu kaum aushaltbaren Schmerzen an der Außenseite des rechten Knies führte. Ich war verzweifelt, dass das gerade jetzt passieren musste, so kurz vorm Ziel. Ich versuchte alles, was ging. Einen Last-Minute Termin bei Niamhs Physio, der mein Fußgelenk tapte und mir ein Warm-Up für vor dem Lauf empfahl. Sogar meine Angst vor Nadeln überwand ich und ging zum Dry Needling:
Sowohl Physio als auch Chiropraktiker zeigten sich deutlich optimistischer als ich es selbst war, sodass ich mit gemischten Gefühlen in den Lauf ging.
Es ging früh los. Um 4:45Uhr klingelte der Wecker und es gab sofort Kokosnusseis zum Frühstück, welchen ich am Vortag vorbereitet hatte. Normalerweise laufe ich nüchtern und da ich einen sehr empfindlichen Magen habe, wollte ich keine Experimente riskieren und das wahrscheinlich best verträglichste Lebensmittel überhaupt essen – auch wenn ich mir ein appetitlicheres Frühstück vorstellen könnte. Um 5:30Uhr nahmen wir die Straßenbahn. So früh das klingt, die Halbmarathonis musste noch eine Stunde früher auf die Strecke. In der Bahn trafen wir Wanda und Josh, welcher sich 3(!) Wochen vor dem Lauf noch zur Teilnahme entschieden hatte und spontan mitlaufen wollte. Wie man das bei einem Marathon halt so macht.
Kurz nach halb sieben erreichten wir das nördliche Ende der Brücke, von wo es losgehen sollte:
Der Startschuss fiel um 7:10Uhr, und als allererste Tat ging es auf die Brücke:
Über die Mitte der Harbour Bridge zu laufen, ist der beeindruckendste Teil des Rennes. Auch wenn es schon mein zweites Mal war, fühlte es sich magisch an zwischen den riesigen Türmen hindurchzulaufen, auf der Straße, die sonst den Autos vorbehalten ist. Auf der anderen Seite der Brücke passierte dann jedoch das, wovor ich mich gefürchtet hatte: Das IT-Band begann zu schmerzen.
Die ersten Kilometer waren noch aushaltbar, wenn auch die Schmerzen allgegenwärtig waren. Nach der Brücke ging es Richtung Centennial Park, was sich ein bisschen wie ein Heimspiel anfühlte, da ich dort die meisten meiner Trainingsläufe und Radfahrten absolviert hatte. Bis zum Park lief ich zusammen mit Peggie, denn Wanda hatte uns bereits auf dem ersten Kilometer weit hinter sich gelassen, und Niamh und Laura liefen in einer langsameren Pace hinter uns. Kurz vor dem Park meinte ich zu Peggie, dass der Kerl, der da gerade neben uns lief, doch verdammt nach James Newbury aussehe. Wie sich im Nachhinein herausstellen sollte, war er es. Kleiner Fanboy-Moment.
Im Park wurden die Schmerzen immer schlimmer, und der Rest des Laufes war eine Folter. Laura sagte später, ich hätte noch nie so unglücklich beim Laufen ausgesehen.
Laura, die nicht nur mit mir mitten in der Nacht aufgestanden war, mich zum Start begleitete und mich im Ziel empfing, passte mich sogar 5 Mal ab, machte Bilder und nahm mir meinen leeren Trinkrucksack nach der Hälfte des Rennens ab. Ich könnte nicht dankbarer für die Unterstützung dieser Frau sein. ♥️
Ich möchte gar nicht mehr viele Worte über den Lauf verlieren. Die Strecke ist wunderschön, sogar die schönste von allen Läufen, die ich bisher absolviert habe. Aber die Schmerzen ließen mich die zweite Hälfte der Strecke kaum genießen. Das Rennen war auf jeden Fall die härteste Herausforderung, die ich je absolviert habe und im Ziel habe ich ein paar Minuten Sterne gesehen. Am Ende wurden es 3:52:55h. Mein Ziel habe ich also um fast acht Minuten verfehlt. Trotzdem bin ich sehr stolz auf die Leistung. Mit der IT-Band Entzündung und den Schmerzen war ich mir alles andere als sicher, dass ich es überhaupt bis zum Opernhaus schaffe. Mehrere Male dachte ich ans Aufgeben. Alles andere lief genau wie geplant – mein Magen machte keine Probleme, meine Ernährungsstrategie mit Gels und Gummibärchen hat perfekt funktioniert und auch dieses Mal bin ich nicht unterzuckert.
Auch alle anderen erreichten ihre Ziele. Wanda kam bei ihrem ersten Marathon sogar fast 3 Minuten vor mir ins Ziel, auch wenn auch sie die 3:45 knapp verpasste. Peggie erreichte 5 Minuten nach mir das Ziel. Mit rund 4:50h schafften sowohl Niamh als auch irisch-Laura ihr Ziel von unter 5h. Am meisten beeindruckte mich jedoch Josh, Wandas Freund, der sich erst 3 Wochen vorher für die Teilnahme entschied, einen einzigen langen Lauf über 26km absolvierte, und den Marathon in unter 3:30h absolvierte. Das hatte ich für unmöglich gehalten. 🎩 ab.
Die Medaille ist die schönste, dir ich je von einem Lauf bekommen habe. Außerdem gab es ein weißes Finisher Shirt für alle, die das Ziel erreichten.
Nach dem Lauf trafen wir noch ein paar andere madels.aua dem Gym, die den Halbmarathon über die Brücke gelaufen waren.
Für Laura und mich ging es noch einen Burger bei “Betty’s Burger” essen, bevor ich den Rest des Sonntags auf dem Sofa verbrachte. Die nächsten zwei Tage hatte ich den Muskelkater meines Lebens und musste sogar die Fahrstühle auf dem Campus nutzen, aber wie durch ein Wunder macht das IT-Band keinerlei Probleme mehr. Nichtsdestotrotz werde ich mich schonen und mindestens einen Monat nicht die Laufschuhe schnüren.
Hier noch ein paar Impressionen:
Bis zum nächsten Mal. ✌🏼