Ich war durch die Uni auf das “Better Future Forum” in Canberra Anfang September gestoßen und hatte mich als Freiwillige beworben, um einen Teil zu Klimaschutzmaßnahmen beizutragen. Ich wurde genommen und musste Erik nicht überreden, daraus einen kleinen Urlaub für uns zu machen. Wir nahmen also Freitag Nachmittag den Fernbus nach Canberra (ja, endlich mal nicht fliegen müssen!) und kamen abends in unserer Unterkunft an. Die Stadt hat den Ruf ziemlich tot zu sein und so hatten wir uns im Vorhinein ein Auto gemietet, um das Wochenende in die umliegende Natur zu fahren. Es stellte sich heraus: Canberra besteht aus vielen langen Linien und großen Kreisen und ist tatsächlich unglaublich ruhig – wahrscheinlich ist das Parlament der Ort der Stadt, an dem es am hitzigsten vonstattengeht. ABER die Natur und die Tierwelt rund um Canberra ist wirklich schön und wir hatten eine wunderbare Zeit. Seit ich in Australien bin, war ich noch nie so weit weg von der Küste, da sich das Leben hier allergrößten teils in Küstenregionen abspielt. Canberra liegt jedoch zwischen Melbourne und Sydney (näher an Sydney) und wurde als Kompromiss für den Streit um die Hauptstadt zwischen den beiden Städten errichtet. Die ganze Stadt wurde also aus dem Nichts geplant und errichtet und hat daher auch ihren besonders “durchgeplanten” Charakter.
Samstag machten wir uns auf den Weg in das Tidbinbilla-Naturreservat, was etwa eine Stunde von unserer Unterkunft entfernt lag. Dort musste man ein wenig Geld bezahlen, um noch etwas tiefer in das Reservat hineinzufahren, wo wir anschließend auf einem Parkplatz anhielten und unsere Wanderung auf den Gibraltar-Gipfel begannen. Der Weg führte uns erst durch eine Gras-Busch-Landschaft, in der wir einige Kängurus mit Babys antrafen, und dann die bewaldeten Hügel hinauf, in denen immer wieder majestätisch anwirkende, riesige, vom Wetter ganz rundgeschliffene Felsblöcke den Weg säumten. Wäre ich Ureinwohner dieses Landes, hätte ich diesen Orten spirituelle Kräfte zugesagt. Ganz oben angekommen, waren wir zwar nicht ganz alleine, konnten jedoch die Aussicht sehr genießen, picknicken und uns in der Sonne ausruhen. Die Eukalyptuswälder haben eine ganz besondere Farbe – in die Ferne blau-grau und von Nahem rot-grün. Wir entschieden uns für einen anderen Rückweg als Hinweg, der jedoch über die Feuerwege führte, die nicht so einfach zu begehen sind, da steil und rutschig. Allerdings wurden wir damit belohnt, dass wir an einer Ansammlung von den ulkigen Grasbäumen vorbeikamen, in deren Nähe außerdem eine große Gruppe Kängurus graste. Fast alle weiblichen Tiere hatten kleinen Nachwuchs in ihrem Beutel und duldeten uns in relativer Nähe. Nachdem wir uns von ihnen losreißen konnten (bei den männlichen Kängurus ist das nicht so schwer, da ich sie ziemlich furchteinflößend finde – der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist relativ groß), ging es wieder richtig nach Hause. Am Eingang des Reservats begegneten uns jedoch noch einmal verschiedene wunderschön bunte Vögel und kleine tollpatschige überglückliche Kängurubabys, sodass wir einen weiteren Stopp einlegten und uns dann mit dem Sonnenuntergang auf den Heimweg machten. Zu unserem großen Erstaunen erspähten wir auf der Landstraße dann jedoch einen (meinen ersten und Eriks zweiten) Schnabeligel und parkten das Auto, um ihn noch schnell beim Davonkriechen zu erwischen. Er versteckte sich, aber wir hatten die größere Geduld und konnten ihn noch eine Weile beobachten.
Der nächste Tag beinhaltete als Erstes den Besuch des Parlaments mit einer 30-minütigen kostenlosen Führung, die uns sehr gut gefiel. Wir saßen im Senatoren- und im Abgeordneten-Saal, erfuhren viele interessante und lustige Fakten und bestaunten eine sehr naturgetreue Nachbildung des Parlaments aus Legosteinen, die für schlappe 30.000$ zum 30-jährigen Jubiläum gekauft worden war. Das Parlament ist wirklich ein interessantes Gebäude und einen Besuch wert. Anschließend fuhren wir auf einer kleinen Sightseeingroute zur Baumschule Canberras, die laut Website folgendem dient: “Mit über 44.000 seltenen und gefährdeten Bäumen auf einer Fläche von 250 Hektar ist das Arboretum ein Ort der Schönheit, des Naturschutzes, der wissenschaftlichen Forschung, der Bildung, des Tourismus und der Freizeitgestaltung.” Tatsächlich war es an diesem Sonntag sehr voll in der Baumschule und viele Familien picknickten oder ließen Drachen steigen. Außerdem befinden sich architektonisch besondere Gebäude und eine Bonsai-Sammlung auf dem Gelände. Wir schauten uns die Miniaturbäumchen an, tranken Kaffee und spazierten auf einen Aussichtspunkt und beschlossen dann spontan zum Landschaftsschutzgebiet Mulligans Flat im Norden von Canberra zu fahren (welches uns am Vortag empfohlen worden war). Das war eine unserer besten Ideen! Das Gebiet ist eingezäunt, um eingeschleppte Tierarten fernzuhalten. Hier sagt die Website: “Es ist das einzige Waldgebiet dieser Art, das frei von den Einflüssen von Füchsen, Kaninchen, Ziegen, Rehen und Hasen ist… was der einheimischen Tierwelt hilft, zu gedeihen.” Bevor wir jedoch durch die Eingangstür im Zaun eintraten, fanden wir vor dem Zaun wieder eine sehr große Gruppe Kängurus vor. Auch diese mit kleinen Jungen. Nachdem ich Erik überzeugen konnte weiterzugehen und keine Fotos mehr zu machen, suchten wir uns einen kleinen Rundweg aus und liefen los – den Blick mit höchster Aufmerksamkeit über die Landschaft streifen, um bloß keine Tiere zu verpassen. Wir wollten so gern noch einmal Schnabeligel sehen! Erst begegneten wir jedoch einem Wallaby und dann einem Fantail (auf deutsch Fächerschwänze). Ein Schnabeligel war nirgendwo zu sehen. Das Fantail war jedoch unser großes Glück, denn während Erik versuchte es zu Fotografieren, schaute ich mich ein wenig um und entdeckte im Unterholz nicht weit vom Weg entfernt: ZWEI Schnabeligel! Sogleich machten wir uns auf den Weg durch die Bäume, allerdings alles andere als lautlos, da der Boden übersät war von kleinen Ästen und trockenen Blättern. Die beiden Schnabeligel, die in einigem Abstand von einander den Boden nach Essbarem durchwühlten, fanden das nicht toll und versteckten sich vor der potenziellen Gefahr, indem sie ihre Köpfe vergruben, sodass nur noch ihre Stacheln herausschauten. Wir machten es uns mehr oder weniger auf einem umgefallen Baum gemütlich und dann begann der Wettkampf des Geduldigeren. Nach einigen Minuten hatten die Schnabeligel genug und kamen langsam wieder zutage. Im Anschluss schnupperten sie noch ein wenig in der Luft, nahmen aber nicht sonderlich Notiz von uns (wir hatten uns wohl als ungefährlich erwiesen) und gingen wieder ihrer Futtersuche nach. Dabei hatten sie den ganzen Waldboden um uns herum in ein kleines Schlachtfeld verwandelt. Es sah beinahe aus, als wäre eine Horde Miniwildschweine umhergestöbert. Ich kann nicht sagen, wie lange wir dort im goldenen Nachmittag-Abendlicht saßen und die Tiere beobachteten und fotografierten, während zwischendurch Vögel vorbeikamen (unter anderem schöne rote Papageien). Irgendwann beschlossen wir, dass wir doch noch ein wenig weiter gehen sollten und verabschiedeten uns mit schwerem Herzen. Wir sahen noch ein paar Kängurus, einen lustigen Vogel (die Langschwanztriele (Bush stone-curlew)) und einen Schnabeligel aus der Ferne und fuhren glücklich wieder zu unserer Unterkunft. Gerne würden wir noch einmal wiederkommen und eine Nachtführung machen, um andere Tiere zu entdecken.
Am darauffolgenden Montag kam erst die Arbeit und dann das Vergnügen. Wir nutzen sogar noch das Gym, das zu unserer Unterkunft gehörte und sehr gut ausgestattet war. Am frühen Nachmittag machten wir uns auf den Weg zum nationale Kriegerdenkmal Australiens. Zu den Eindrücken fehlen mir die passenden Worte, allerdings habe ich das Gefühl, dass man sich hier zur Aufarbeitung dieser schrecklichen Ereignisse viel Mühe gibt. Ich musste recht früh wieder gehen, da wir uns nachmittags mit den Veranstaltern und Helfern des Better Future Forums trafen, um das bevorstehende zweitägige Event vorzubereiten. Während ich dann Dienstag und Mittwoch von früh bis spät damit beschäftigt war, machte Erik Homeoffice und traf sich dienstags mit einem Kollegen, der in Canberra wohnt. Mittwochs trafen wir uns noch einmal vor Sonnenuntergang hinter dem Kriegsdenkmal und wanderten Berg Ainslie bis zum Aussichtspunkt hoch. Dabei begleitete uns Annelise, eine andere australische Freiwillige vom Forum. Der Weg belohnte mit vielen kleinen Kaninchen und einem tollen Überblick über Canberra. Das Forum war eine sehr schöne Erfahrung, auf der ich einen Überblick über Australiens Klimapolitik erhielt und auch ein paar sehr nette und interessante Menschen kennenlernte. Am Donnerstagmorgen ging es dann wieder mit dem Bus zurück nach Sydney. Und als wir in Sydney Zentral ausstiegen, wurde mir erst recht bewusst, wie ruhig Canberra gewesen war, obwohl ich Sydney nicht als hektische Stadt bezeichnen würde. Trotz, dass mir die Stadt an sich nicht sonderlich gut gefallen hat, so gibt es doch in und drumherum einige Dinge, die ich gern sehen würde. Also kommen wir bestimmt wieder .. 🙂
Vielen Dank, dass ich dabei sein und an dieser gelungenen Mischung aus Natur und Kultur teilhaben durfte.
Aber der heimliche Star ist natürlich unser Freund von der Titelseite!