Vivid Sydney ist das Event, welches sich bei meinem ersten Aufenthalt 2017 am stärksten in mein Gedächtnis eingebrannt hat. Es handelt sich um das größte Lichterfestival Australiens, welches seit 2009 jedes Jahr im Juni für 3 Wochen Sydney erhellt. Vivid Sydney besteht aus drei Hauptkomponenten: Light, Music & Ideas.
Während ich 2017 eigentlich nur etwas vom “Light” Teil des Festivals mitbekommen habe, haben Laura und ich dieses Jahr fast mehr Zeit bei den Seminaren der ‘Ideas’ Reihe verbracht. So haben wir insgesamt drei Events besucht:
- Big Brother is Watching
- Flood, Fire, Plague: Can greener cities protect us from disaster?
- I’m not racist, but…
Laura war zusätzlich noch bei einer Mindfullness Practice im botanischen Garten. Bei “Big Brother is Watching” ging es um die Gefahren der Massenüberwachung und insbesondere deren Kombination mit maschinellem Lernen. Ein bekanntes (und hier stark vereinfachtes) Beispiel ist eine künstliche Intelligenz, welche Verbrecher präventiv erkennen soll. Was nach einer tollen Möglichkeit klingt, um Vorurteile von Polizeibeamten auszuschließen, erreicht genau das Gegenteil. Eine KI, oder ein sogenanntes Modell, lernen das, was es in den bereitgestellten Daten findet, und zwar so einfach wie möglich. D.h. ein Modell, welches mit vergangenen Statistiken trainiert wird, macht es sich einfach und lernt, dass Personen mit Migrationshintergrund häufiger Verbrecher sind, weil Personen dieser Gruppe in der Vergangenheit häufiger verurteilt wurden. Das liegt jedoch nicht daran, dass diese Personen wirklich über mehr kriminelle Energie besitzen würden, sondern, dass die zuvor genannten Vorurteile dazu führen, dass sie häufiger kontrolliert werden. Somit werden selbst bei identischer Verbrecherquote mehr Personen mit Migrationshintergrund verurteilt (50 % von 10 ist 5, 50 % von 20 ist 10). Die KI lernt also genau dieselben Vorurteile, die sie eigentlich hätte bekämpfen sollen. Dieses Beispiel ist nun stark vereinfacht, und soll lediglich das Problem deutlich machen. Ich kenne weder die echten Zahlen, noch bin ich selbst ein Experte für KIs. Es gibt durchaus auch Verfahren, um gegen Vorurteile im maschinellen Lernen vorzugehen, allerdings sind die meisten künstlichen Intelligenzen eine Blackbox, d.h. man kann nicht bestimmen, wie sie lernen und ihre Entscheidungen treffen. Das führt dazu, dass man sich nicht sicher sein kann, ob eine KI wirklich das gelernt hat, was sie hätte lernen sollen oder derartige Vereinfachungen macht.
Ein anderes Beispiel aus dem Vortrag war die Nutzung von Handy-Ortungsdaten für die Tötung durch einen Drohnenangriff. Der Vortragende machte hier den Punkt, dass man so das Leben von Menschen daran bindet, dass die erwartete Person ein Handy zu einem bestimmten Zeitpunkt bei sich hat und nicht jemand anderes. Der Vortrag hatte keine klare Pointe, wie wir konkret gegen die besorgniserregenden Entwicklungen in diesem Bereich vorgehen können. Es wurde jedoch sehr deutlich, dass man Vorschläge und Vorhaben in diesem Bereich sehr sorgsam hinterfragen sollte. Ein typisch deutsches Beispiel ist die Begründung von Gesetzen im IT-Bereich mit dem Schutz von Kindern. Wenn wieder derartige Gesetze diskutiert werden, empfiehlt sich meiner persönlichen Meinung nach ein Blick auf blog.fefe.de. Zum einen muss man sich bewusst machen, dass jede Hintertür in einem System missbraucht werden kann und vermutlich wird. Wenn es heißt, dass nur die Behörde X Zugriff auf Daten, z.B. Chats, hat, bedeutet dies, dass es eine Tür gibt und durch diese Tür können immer auch andere hereinkommen. Zudem gibt es viele Beispiele, wo der Zugriff auf bestimme Daten im Nachhinein auf weiter Delikte ausgeweitet wurde. Wenn es die technische Möglichkeit für Abhörung gibt, ist das Kind schon in den Brunnen gefallen.
Ich möchte noch einen letzten Punkt teilen, den ich vor einiger Zeit in einem Vortrag gehört habe. Das Kernelement der meisten großen erfolgreichen Hacks auf Unternehmen, welche richtig hohe Kosten produziert haben, war nicht der geniale Code von einem Hacker, der irgendwo in einem Keller in Russland sitzt und sich seit 3 Jahren von Fertigpizza ernährt. Leider erinnere ich mich nicht an die genaue Zahl, aber es waren weit über die Hälfte, ich meine etwas in die Richtung von 80 bis 90 %, aller erfolgreichen Hacks auf Unternehmen mit Vollzugriff beruhten hauptsächlich auf Social Engineering. Das bedeutet, dass eine Person durch gezielte Manipulation von Menschen Zugriff auf Computersysteme erlangt. Eine bekannte Masche ist z.B., dass eine Person, i.d.R. eine hilflos aussehende Frau, in einen Laden geht, und, am besten weinend, darum bittet einen Lebenslauf auszudrucken, weil sie gleich ein Bewerbungsgespräch nebenan haben würde und den Lebenslauf verloren hätte. Also steckt die angesprochene Person, z.B. ein/r ArzthelferIn, Bankangestellte/r oder ähnliche/r, einen USB-Stick in den Computer und damit hat der Angreifer selbst auf einem gut gesicherten PC weitreichenden Zugriff über das jeweilige System. Merke: Stecke niemals einen unbekannten Stick in den eigenen PC, derartige Hilfsbereitschaft wird von Kriminellen schamlos ausgenutzt. Zurück zu den Hacks auf Unternehmen. Der Vortragende hat als provokante Message vereinfacht zusammengefasst, dass die meisten erfolgreichen Hacks nicht auf einem genialen Virus, sondern schlichtweg auf einer attraktiven Frau beruhen. Ich befürchte, dass sich das Problem mit mehr Frauen in Führungsrollen jedoch nicht löst, sondern die Zusammenfassung einfach auf attraktive Person geändert werden muss…
Der Talk “Flood, Fire, Plague: Can greener cities protect us from disaster?” entsprach dann mehr Lauras Themengebiet und befasste sich damit, wie Sydney und andere australische Städte sich auf die Zukunft vorbereiten können. Die Waldbrände von 2019/2020 sind noch in präsenter Erinnerung und dieses Jahr hat die Region schon mehrfach unter teils tödlichen Überschwemmungen gelitten. Für mich war es sehr interessant, etwas mehr darüber zu erfahren, worüber Laura sich täglich Gedanken macht. Falls sie mal Lust hat, denke ich, dass Laura jedoch deutlich besser geeignet ist, um mehr über dieses Thema zu berichten. Was mir jedoch sehr in Erinnerung geblieben ist, ist, wie großartig Barangaroo, heute einer der schönsten Parks der Stadt, von der Stadt Sydney überarbeitet wurde:
Bei “I’m not racist, but…” handelte es sich um einen Comedy-Abend, bei dem auf unterhaltsame Weise auf die Probleme mit Diskriminierung, insbesondere gegenüber den australischen Ureinwohnern, aufmerksam gemacht werden sollte. Das Event war sehr gut organisiert und wir hatten einen schönen Abend trotz des ernsten Themas. Die Comedians besaßen fast ausschließlich Wurzeln im Volk der Aborigines, wodurch ihre eigene Sicht dargestellt wurde. Es ist unendlich traurig, dass Rassismus auch im 21. Jahrhundert noch immer ein echtes Problem darstellt.
Mein Highlight von Vivid sind aber nach wie vor die Lichtshows. Insbesondere das Opernhaus während Vivid ist ein unvergleichlicher Anblick:
In einer sich den ganzen Abend wiederholenden Folge werden verschiedene Muster auf das Opernhaus, die Harbour Bridge und andere Gebäude in der Innenstadt projiziert. Die ganze Stadt erstrahlt über 3 Wochen in bunten Farben:
Außerdem gibt es Shows, mit Licht und Musik:
Zu guter Letzt, eine riesengroße Galerie unserer Lieblingsbilder: