Zwischen Melbourne und Sydney, den beiden größten Städten Australiens, besteht seit langem eine Rivalität. Diese kann man hier im Alltag oft spüren, denn über die bessere Stadt wird oft diskutiert. Wie ihr vielleicht schon im letzten Eintrag gemerkt habt, ist Erik Team Sydney ;). Welches Team ich bin? Ich wage mich hier ein Statement schwarz auf weiß zu hinterlassen: Melbourne ist schön zu besuchen, aber Sydney ist wunderschön zum Leben. Die Rivalität zwischen den Städten war der Grund dafür, dass weder Melbourne (die damals größte Stadt) noch Sydney (die älteste und heute größte Stadt) zur Hauptstadt Australiens gewählt wurde, als die Nation 1901 föderalisiert wurde. Da die neue Nation Australien aufgrund der Uneinigkeit und Streitereien also immer noch eine Hauptstadt brauchte, wurde der Mittelweg gesucht. Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte: Es wurde das Australian Capital Territory (ACT) gegründet, in dem die Hauptstadt Canberra nun zwischen den beiden umstrittenen Städten liegt. Die Rivalität wurde dadurch natürlich nicht besiegelt.
Die beiden Städte zu vergleichen ist aber auch nicht ganz fair, da Sydney mehr australische Ikonen besitzt, während Melbourne als die kulturelle Hauptstadt des Landes gilt. Und bis auf die wunderschöne Natur (aus dem letzten Blogeintrag) haben wir unseren Aufenthalt in Melbourne auch hauptsächlich mit kulturellen Aktivitäten gefüllt (Bier trinken kann man in Australien dazu zählen).
Zu meinem Leidwesen gibt es in Australien kein ausgebautes Fernzug-/Hochgeschwindigkeitszug-Netz, sodass wir für den relativ kurzen Aufenthalt einer Woche in den Flieger steigen mussten. Wir sind Samstag früh aufgebrochen und noch am Morgen in unserem Airbnb in Melbourne angekommen. John, der Hausbesitzer und Gastgeber mit griechischen Wurzeln, hat uns sehr freundlich empfangen und wir hatten im Laufe unseres Aufenthalts viele interessante Gespräche mit ihm. Ich finde, es gibt einer Reise eine andere Stimmung, wenn man mit Einheimischen zusammenwohnt und die Gegend auch durch ihre Augen kennenlernt. Außerdem lebte Chilli der Wellensittich und für die ersten zwei Tage ein britisches Pärchen in dem Haus.
Den Samstag haben wir genutzt, um mir einen Überblick über die Stadt zu verschaffen. Natürlich nicht, ohne erst ein Frühstück in einem der zahlreichen Cafés zu uns genommen zu haben. Wir sind ein wenig durch die Innenstadt spaziert, die ziemlich viele Hochhäuser, aber auch sehr breite Straßen (für mögliche Kehrtwendungen von 16er-Gespannen – Aufeinandertreffen der Zeiten) zu bieten hat. Dadurch fühlt man sich nicht eingeengt zwischen den Riesen aus Glas und Stahl. Besonders schön ist auch, dass durch Melbourne ein Fluss fließt. Auch wenn die Stadt am Meer liegt, so hat sie doch nicht die gleiche attraktive Küstenlinie wie Sydney und der Kern liegt etwas davon entfernt. All dies war dann auch super von dem etwas teuren, aber doch sehr lohnenswerten ‘Skydeck’ aus fast 300 m Höhe zu erkennen. Wir haben eine Weile den Ausblick genossen und sind dann erschöpft von der Reise in die Unterkunft zurückgekehrt, um uns einzurichten.
Sonntag hatten wir eine kostenlose Stadtführung gebucht, wurden aber dann zusammen mit den dutzenden anderen Wartenden enttäuscht – der Führer kam nicht und Ersatz gab es auch keinen. Stattdessen wurden wir am Treffpunkt Zeugen von einer Julian Assange Demo, die die Freilassung des Journalisten forderten und der zu unserer Überraschung gebürtiger Australier ist. Das gab uns ein bisschen Denkstoff während der Wartezeit. Als keine Besserung der Lage in Sicht kam, beschlossen wir zusammen mit einer kleinen bunten internationalen Truppe, die Teil der Wartenden war, es selbst in die Hand zu nahmen und unsere eigene Stadtführung zu machen. Zusammen haben starteten wir unsere Erkundung in der Bibliothek, die einen wunderschönen Kuppelsaal mit alten Holztischen, grünen Lampen und kunstvoll verzierten Balkonen über mehrere Stockwerke zu bieten hat. Anschließend ging es quer durch die Stadt zum Queen-Victoria-Markt, der uns sehr gut gefallen hat und ziemlich viel zu bieten hat. Ich kam dann auch nicht darum, einen nepalesischen Poncho zu kaufen – von dessen Verkäufer ich gelernt habe, dass Leute in Nepal sich jetzt gerne westlich kleiden wollen und Leute im Westen gerne Sachen aus Nepal kaufen – und ein paar von den im Moment so typischen bunt gestalteten Socken (in diesem Fall mit einheimischen Tieren drauf). Als Erik und ich vor dem Markt noch kurz in der Sonne saßen, wurden wir, typisch australisch, von einem Einheimischen angesprochen, der uns in ein längeres Gespräch verwickelte und mir noch ein paar Stadtplanerweisheiten mitgab – er war mit Umwegen zu diesem Beruf gekommen. Anschließend aßen wir super lecker in einem veganen Buffet-Restaurant und ließen den Tag noch ruhig ausklingen.
Montags zog es uns in den Süden der Innenstadt, zum NGV (National Gallery of Victoria), wo wir eine kurze kostenlose Führung durch die Höhepunkte der Sammlung des Museums machten. Hängen geblieben ist auf jeden Fall eine Sage über Kleopatra, in welcher sie eine Perle im Wert einer römischen Villa in Essig auflöst und trinkt, um ihren Reichtum zu veranschaulichen. Nach dem Museumsbesuch ging es weiter zum Shrine of Remembrance, eine Gedenkstätte für die 60.000 verstorbenen Australier aus dem 1. Weltkrieg. Die Erinnerungsstätte ist sehr besonders aufgebaut, mit einem Museum im Inneren und einer tollen Aussicht auf Melbourne vom Balkon weiter oben. Mich hat der Aufenthalt sehr nachdenklich gestimmt. Es ist schon sehr eigenartig zu versuchen zu begreifen, warum Menschen von einem sehr weit abgeschiedenen Ort auf der Welt sich in Schiffe setzen und dann in Kriegsgebiete fahren, obwohl in ihrer Heimat nichts von diesem Krieg zu sehen ist… Wir hatten uns schon seit einiger Zeit gefragt, warum man in dem Zusammenhang mit Gefallenen im Krieg hier oft eine Mohnblume trägt (dies macht man auch in Europa, besonders England, aber dort ist es mir nie so aufgefallen wie hier). Wie wir gelernt haben, waren die roten Mohnblumen die ersten Pflanzen, die nach den verwüstenden Schlachten wieder wuchsen und zu so großer Menge erblühten, dass sie die Landschaften in rote Teppiche verwandelten. Dieses Ereignis war Inspiration für das berühmte Gedicht ‘In Flanders Fields’ und machte das Erblühen der Mohnblumen bekannt. Ein bisschen leichtere Kost hatten wir im Anschluss im botanischen Garten von Melbourne, wo Erik tolle Bilder von einem Pupurhuhn gemacht hat und wir noch ein bisschen entspannt haben, bevor es zum Burgeressen und nach Hause ging.
Dienstag und Mittwoch hatte Erik eine Konferenz von seiner Arbeit aus, sodass ich den Tag über allein war und brav an meinen Uniabgaben sitzen konnte und ein bisschen weiter die Gegend erkundete. Am ersten Abend trafen wir uns zusammen mit Kollegen zum Essen und am zweiten Abend besuchten wir gemeinsam den Nacht-Markt des Queen-Victoria-Markts, allerdings war dieser Markt vollständig überfüllt und wir hielten es nicht lange aus. Daher endeten Erik und ich schlussendlich auf dem Nachhauseweg in einem “Gefrorenen-Joghurt-Nachtischladen”, der auch viele vegane Variationen im Angebot hatte und uns so überzeugte, dass wir Freitag noch einmal hingingen. Am Donnerstag war dann endlich der Roadtrip gekommen, auf den wir uns so gefreut hatten und wie ihr bereits wisst, haben wir tatsächlich Koalas, Kängurus und Co. gesehen!
Freitag begannen wir ganz entspannt noch einmal im Café. Nachmittags versuchten wir uns nochmal mit einer Stadtführung, diesmal aber der Kulturversion und wurden diesmal auch nicht sitzengelassen. Unser Tourguide zeigte uns noch einmal viel Straßenkunst und konnte uns einige Anekdoten und Hintergründe erzählen. Diese Art öffentliche Kunst ist, wie an vielen Orten, lange verboten gewesen, aber seit sie zu einer Touristenattraktion herangewachsen ist politisch legalisiert worden – manchmal muss man sich wohl einfach beliebt genug machen. Nach der netten Führung sind wir in ein uns empfohlenes chinesisches Restaurant gegangen, dass auch sehr leckeres Essen hatte. Zu Hause haben wir unsere Regensachen abgeworfen und uns nochmal richtig zurechtgemacht, um in Fitzroy auszugehen- dabei ist uns bewusst geworden, dass wir echt gerne Billard spielen, könnte man ruhig öfter machen.
Samstag war dann schon der Tag der Abreise, den wir ganz entspannt gestalteten und uns noch die lokalen Fitzroy-Märkte anschauten. Zu meinem Glück oder Pech (?) wurde ich auch fündig: es gab einen wirklich schönen Schmuckstand. Insgesamt waren die Märkte echt schön, gemischt mit Kunst aller Art, Second-Hand-Klamotten, Schmuck, Seife, Pflanzen usw. Das Nachhausekommen hingegen war ein eher unschöneres Erlebnis, erst mit einer wilden Autofahrt, bei der die Hupe als Warnsignal für Regelverstoß verwendet wurde, und dann nach der Hektik langsames Warten auf den verspäteten Flug.
Alles in allem hatten wir einen sehr schönen Urlaub und Erik kann sich freuen, dass ich hingegen seiner Sorge nicht im alternativen Melbourne bleiben wollte, sondern mich auf unser Sydney gefreut habe. Aber wir kommen bestimmt wieder.